Donnerstag , 21 November 2024

Ein Parasit lässt Mäuse ihre Angst vor Katzen vergessen

Dass Nagetiere gelegentlich durch Parasitenbefall die Furcht vor ihren Erzfeinden „vergessen“, ist bekannt. Verantwortlich dafür ist die durch Parasiten übertragbare Krankheit Toxoplasmose. Diese kann auch dem Menschen gefährlich werden. Der für die Toxoplasmose verantwortliche Parasit heißt Toxoplasma gondii. Damit befallene Kleintiere vergessen tatsächlich, dass Katzen Jagd auf sie machen. Statt ihren Fluchtinstinkten zu folgen, bleiben befallene Nager unbekümmert sitzen – mit tödlichen Folgen. Für die Parasiten sind Nagetiere nur Zwischenwirte, die ihr Überleben sichern. Interessanterweise braucht dieser Parasit eine Katze, um sich zu vermehren. Über die Jagdbeute kommt er an sein ersehntes Ziel.

Wie kommt es zu der Umprogrammierung der Maus?

Toxoplasma gondii hat laut den Parasitenforschern von parasitenfrei-online.de ein trickreiches Konzept entwickelt, um Überleben und Vermehrung sicherzustellen. Den Wissenschaftlern gab dieses gezielte Verhaltensmuster allerdings Rätsel auf. Einer neuen Theorie zufolge könnte der Parasit nicht nur Nagetieren gefährlich werden, sondern auch Menschen. Bisher gab es dafür zwar keine Hinweise. Aber Fakt ist, dass jeder dritte Mensch den Parasiten im Körper trägt, weil er Katzen gestreichelt hat. Auch mangelnde hygienische Verhältnisse sind Ursachen für Parasitenbefall. In der Regel verläuft beim Menschen eine Infektion mit dem Parasiten unbemerkt. Bestenfalls tritt leichtes Fieber auf. Infizierte Frauen können eine Fehlgeburt erleben. Ansonsten werden Wesensveränderungen bei Männern und Frauen daraufhin abgetastet, ob der Parasit beteiligt sein könnte. Federführend dabei ist der tschechische Evolutionsbiologe Jaroslav Flegr, der an der Prager Karls-Universität nach entsprechenden Veränderungen forscht.

Erste Erkenntnisse zur Frage kommen aus Amerika

Forscher an der „Indiana School of Medicine“ stellten eine mögliche Erklärung vor, die den Grund für die Umprogrammierung von Mäusen darstellen könnte. Der Toxoplasmose-Parasit verändert augenscheinlich bestimmte Gehirnzellen. Ein Forscherteam um William Sullivan hatte Astrozyten in Mäusegehirnen untersucht. Diese Art der Hirnzellen ist an der Nährstoffversorgung von Nervenzellen aus dem Blut beteiligt. Durch ihre Mitwirkung bleibt das physiologische Gleichgewicht im Hirn erhalten. Da alle Säugetiere und auch Menschen über Astrozyten verfügen, sind tatsächlich Gemeinsamkeiten gegeben.

Die US-Forscher analysierten die in den Astrozyten vorkommenden Proteine. Sie untersuchten, ob diese Proteine bestimmte Merkmale aufwiesen. Interessant war die Frage, ob die Proteine bei parasitenfreien Nagetieren identisch mit denen der infizierten Nager waren. Tatsächlich unterschieden sich einige der Proteine in der Acetylierung des Eiweißes bei den Toxoplasmose-Mäusen von den nicht-infizierten Mäusen. Was das im Detail bewirkt, ist noch ungeklärt. Immerhin könnte diese Entdeckung weiterführen. Sie könnte erklären, warum der Parasit eine Wesensveränderung herbeiführen kann, um an sein eigentliches Ziel zu kommen.

Was bedeuten diese Erkenntnisse für Menschen?

Bisher liegen nur wenige Humanstudien zum Thema vor. Dieser Umstand erlaubt nur vorsichtige und allgemein bleibende Schlussfolgerungen über die Risiken, durch die Menschen dank des Toxoplasmose-Parasits an Wesensveränderungen leiden könnten. Inwieweit diese ähnliche Auswirkungen haben wie bei den Nagetieren, ist unklar. Zudem erreicht der Parasit durch die Besiedelung von Menschen als Zwischenwirt nicht in jedem Fall sein Ziel: den Befall einer Katze, um seine Vermehrung sicherzustellen. Immerhin können die Auswirkungen solcher Parasiten-Erkrankungen aber besser erforscht werden. Schließlich ist Toxoplasma gondii ein Parasit, der weltweit verbreitet ist.

Katzen sind die alleinigen Wirte, in denen eine Vermehrung des Parasiten möglich ist. Als Zwischenwirte können jedoch Menschen, Nagetiere oder Vögel genutzt werden. Das Ziel des Parasiten muss in jedem Fall das Überleben sein, bis ein geeigneter Katzenwirt gefunden ist. Toxoplasma gondii lagert sich in Leber und Hirn der Zwischenwirte ein, um deren natürlichen Fluchtinstinkt zu untergraben. So kann der Parasit an seinen Hauptwirt kommen. Die Programmierung der Zwischenwirte geht also in Richtung auf einen Selbstmord, da die befallenen Nager sich entgegen ihrer sonstigen Verhaltensweisen verhalten.

Beim Menschen löst ein Befall laut den Erkenntnissen oftmals eine Versteifung des Nackenbereichs aus. Diese kann mit ein paar einfachen Übungen behandelt werden, sobald der Befall beseitigt ist.

Die Relevanz der Forschungsergebnisse für den Menschen

Der tschechische Evolutionsbiologe Jaroslav Flegr forscht mittlerweile seit nunmehr 15 Jahren zum Thema. In seinen Versuchsreihen, in die mittlerweile etwa zehntausend Probanden eingebunden wurden, zeigten sich tatsächlich Wesensveränderungen bei Personen, die sich mit Toxoplasmose infiziert hatten. Offenbar sind die Wesensveränderungen umso gravierender, je länger die Parasiten-Infektion andauert. Interessant war auch, dass Flegr bei Männern eine bedeutsame Steigerung der Risikobereitschaft und ein Absinken der Reaktionsfähigkeit feststellen konnte. Beide werden einer beträchtlichen Steigerung des Testosteronspiegels zugeschrieben. Bei Frauen sinkt der Hormonspiegel dagegen ab.

Laut Flegrs Untersuchungsergebnissen besteht dadurch bei Männern eine zweifach erhöhte Wahrscheinlichkeit, in einen Autounfall involviert zu werden. Für den Parasiten ist eine höhere Risikobereitschaft durchaus nützlich. Immerhin werden auch Menschen potenziell die Beute von Großkatzen, sofern man diese lässt. Oft tritt ein Befall nach einer Reise ins Ausland auf. Hier sollte man sich gut vorbereiten, um diesen Ernstfall zu vermeiden.

Sind Flegrs Studienergebnisse überraschend?

Die „Manipulations-Hypothese“ von Flegr, die die Toxoplasmose betrifft, deckt sich in etwa mit der Arbeit des Syphilis-Erregers. Dieses wird bei sexuellen Kontakten zwischen Infizierten und Nicht-Infizierten übertragen. Als Folge davon wird der Wirt sexuell beträchtlich aktiver. Das Bakterium sichert dadurch seine Verbreitung.

Von einem Saugwurm namens „Euhaplorchis californiensis“ wissen die Forscher, dass er Fische solange manipulieren kann, bis diese endlich an die Wasseroberfläche schwimmen. Dort verhalten sie sich ähnlich – nämlich wie ein Selbstmordkandidat. Sie zappeln solange, bis ein Vogel aufmerksam wird und sie verspeist. Es gibt also durchaus ähnliche Verhaltensweisen, denen Forscher nachgehen können, um das Rätsel der Verhaltens-Umprogrammierung zu lösen.

Über Toni Ebert

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